Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst
Wir erfahren wie die Protagonistin und ihr Zwillingsbruder in Ostdeutschland als Kinder einer Punkerin und einem angolanischen Vater geboren werden. Auch wenn man es vermuten könnte handelt es sich nicht um ein autobiografisches Buch. Olivia Wenzel sagt, dass sie vieles so ähnlich erlebt hat und Erlebnisse aus ihrem Freundeskreis zusammengetragen hat, „in einer düstereren Variante von sich selbst, die sie im Alltag nicht aushalten könnte, zu sein“. Zu ihrem Alltag gehört auch Angst vor rassistischer Gewalt, die ihre Gedankenwelt mitprägt. Für mich eindrücklich wie die Protagonistin am Beispiel einer in der Öffentlichkeit gegessenen Banane schildert, wie befangen ihre Identität ist – dreifach problematisch als Schwarze („Rassistische Affenanalogien“) als Ossi („Südfrüchte als Symbol wirtschaftlicher Übermacht“) als Frau („Banane als Penisanalogie und Werkzeug des Sexismus“). Was die Form angeht ein experimentierfreudiges Buch - Kapitel, die wie im rasant geführten Interview die Erzählerin befragen, sie mit diesen Fragen regelrecht bombardieren, manchmal zu tief bohren, so dass diese gar nicht erst antwortet. Durchzogen wird der, auch fortlaufend geschriebene, Roman von Sequenzen an einem Bahnsteig, die wie Traumbilder wirken. Man empfindet Mitgefühl, Scham und Wut beim Lesen, genauso wie man angestrengt ist von ihrem Drang sich selbst und ihr Umfeld so intensiv „auseinanderzunehmen“. Ein Buch voller Power, Klugheit, und Witz, das mich zum Nachdenken und zum Lachen gebracht hat. (H. Pfaffmann)