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Saša Stanišić: Vor dem Fest

Vor 20 Jahren kam Saša Stanišić auf der Flucht vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland, und sein zweiter Roman sollte von einem ostdeutschen Dorf und seinen Bewohnern handeln. Der Autor hat offenbar viel geredet mit den Menschen in der Uckermark und viel recherchiert, bis sein Roman Vor dem Fest Gestalt annahm. Entstanden ist ein höchst ungewöhnliches Buch.
Ich gebe gerne zu, es hat einige Seiten gedauert, bis ich mich in Stanišićs zauberhafte Welt hineingelesen hatte. Die unterschiedlichen Erzählstimmen und der oft gebrochene Erzählfluss machen den Einstieg nicht ganz einfach, doch wenn man erst einmal eingetaucht ist in des Autors fiktiven Ort Fürstenfelde, möchte man ihn am liebsten so schnell nicht mehr verlassen. Mit Stanišićs Figuren durchleben und durchwachen wir den Tag und die Nacht vor dem alljährlichen Annenfest, dem Höhepunkt des dörflichen Lebens und es kommt einem fast vor wie ein ostdeutscher Sommernachtstraum.
Irgendwie sind sie alle noch unterwegs in dieser Nacht: Herr Schramm, Ex-NVA Offizier auf der Suche nach Zigaretten und bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Die alte Malerin, die ihr erstes Nachtbild malen will, Frau Schwermuth, die Chronistin im ‚Haus der Heimat‘ und Herr Ditzsche, der nach der Wende seinen Job als Briefträger verloren hat und den das Dorf wegen seiner vermeintlichen Stasitätigkeit schneidet. Nicht zu vergessen, eine Füchsin auf der Jagd nach Beute für ihre Jungen und zwei seltsame Gestalten, die man für zeitlose Gespenster halten könnte.
Viel ist die Rede von Vergangenem und von Unzulänglichkeiten in Stanišćs seltsamen Heimatroman. Gerade ist der Fährmann gestorben, der Glöckner ist zu alt, um sein Amt auszuführen und in Ermangelung einer Dorfkneipe trifft man sich in einer Garage, um dem Alkohol zuzusprechen. Es ist, als wollte Stanišić seinem erfundenen und doch so realen Dorf ein Denkmal setzen, ehe all dies verschwunden ist. Eingebettet zwischen zwei Seen, zwischen alten Chroniken und Überlieferungen, zwischen DDR- und Wendegeschichte und spärlichen Tupfern der Moderne träumen die Menschen in Fürstenfelde von vielem, aber ganz sicher nicht von einer Zukunft.
Ein außergewöhnliches und mutiges Buch, für das Saša Stanišić völlig zu Recht mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2014 ausgezeichnet wurde. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Saša Stanišić
in seinem neuen Erzählband Fallensteller (Luchterhand 2016, 288 Seiten, 19,99 €) die fast hundertseitige titelgebende Erzählung Fallensteller wieder im vertrauten Fürstenfelde spielen lässt: ein köstliches Schelmenstück in einem köstlichen Buch. (P.Philippi)

Roman
Einband: kartoniertes Buch
EAN: 9783442749898
12,00 €inkl. MwSt.

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Kategorie: Belletristik

 

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